• Puzzels haben in den vergangenen Jahren einen Boom erlebt. Wir werfen einen Blick hinter die Kulissen des wohl bekanntesten Puzzle-Hersteller der Welt: TECHNE zu Gast bei der Ravensburger Gruppe.

    Spiele erfreuen sich seit der Pandemie wieder besonderer Beliebtheit. Allen voran das Puzzle. Aus vielen bunten Pappteilchen jenes zu finden, das zum anderen passt, entschleunigt den Geist und sorgt immer wieder für ein kleines Glücksgefühl. Ganz bei sich selbst zu sein, sich im Suchen zu verlieren und dabei etwas entstehen zu sehen, das macht für viele die Faszination aus.Hannes Marohn, verantwortlich für den globalen Geschäftsbereich Puzzles beim Hersteller Ravensburger, beobachtet noch eine weitere Motivation: Achtsamkeit und Entspannung. „In einer Gesellschaft, die immer anspruchsvoller, digitaler und schnelllebiger wird, nehmen sich die Menschen bewusst eine haptische Auszeit ohne Smartphone & Co, einen Moment der Ruhe und des Abschaltens – viele finden diesen für sich oder mit der Familie in einem Ravensburger Puzzle.“

Seit fast 60 Jahren entwickelt und produziert das Unternehmen die wahrscheinlich bekanntesten Puzzles der Welt, erkennbar an der blauen Ecke.

Sie brauchen Nasen und Nischen, damit sie perfekt ineinandergreifen und sich am Wohnzimmertisch mit einem satten „Klick“ einfügen lassen. Was die wenigsten wissen: Um diese 999 kleinen Glücksmomente ab dem ersten Klick zu garantieren, setzt Ravensburger auf Handarbeit. Jedes einzelne Teil entspringt nach wie vor einer individuellen, handgefertigten Form. 

Ein Labyrinth von Gängen, Hallen, Treppen und Zwischenräumen führt an den Ort, wo diese Unikate erzeugt werden. Nur wenige Ravensburger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren je dort. Noch seltener kommen Außenstehende hierher, nur ab und zu gewährt Ravensburger einen Einblick. Was in der Werkstatt konstruiert wird, ist schon von außen klar erkennbar:
Das Türblatt zu diesem Raum hat ein Fenster in der Form eines Puzzleteils. In diesem sonnenlichtdurchfluteten Raum mit seinem Holzparkett, den Stehpulten, Zeichentischen und wunderlichen Geräten ist es still. Nur ab und an ist das Klopfen auf Metall zu hören oder eine Luftdruck-Presse faucht, an der Mitarbeitende der Puzzle-Werkstatt gerade aus Stahlbändern Nasen und Nischen biegen. Joe Kuhlkamp ist der absolute Experte in dieser kleinen Welt, er arbeitet hier bereits seit über 35 Jahren. Er sagt stolz: „Man muss es in den Händen haben.“
 
Die Grundlage seiner Arbeit ist eine Folie, auf der mit einem Tusche-Fineliner die Anordnung der Längs- und Querlinien, die das Motiv durchziehen sollen, gezeichnet ist. Kuhlkamp und sein Team vollbringen nun, was für den Laien wie Zauberei wirkt: Der Stanzwerkzeugbauer legt ein linealförmiges Stahlband quer über die Folie mit den krummen Linien, markiert mit einem Stift die Eckpunkte eines jeden Teils und spannt das Band ein. Ein Zischen, die erste „Nase“ entsteht. Er legt es wieder auf die Vorlage, vergleicht, markiert, spannt ein, biegt mit einem Spezialwerkzeug nach. Bis wieder eine der horizontalen Zeilen fertig ist und auf eine Holzplatte montiert werden kann. Dann richtet Kuhlkamp die senkrechten Linien her und setzt sie ein, Stück für Stück mit viel Geduld und der Präzision eines Uhrmachers. So ein Stahlband in eine Linie mit Nasen und Nischen zu verwandeln, das wirkt, als schriebe einer in Super-Zeitlupe Wörter in einer fremdartigen Schrift – ohne abzusetzen.

Wer sich beim letzten dieser Wörter einer Reihe verschreibt, hat Pech gehabt: Dann war die Arbeit von ein, zwei Stunden für die Tonne. Es vergehen mehrere Hundert Stunden, bis eine 1000er-Puzzle-Stanzvorlage fertig ist. Zwei bis drei Jahre dauert es, bis neue, fachlich qualifizierte Mitarbeitende, meist mit Schwerpunkt Verpackungstechnologie, eine Puzzle-Stanzform nach dem Ravensburger Qualitäts-anspruch bauen kann.
 

„Mach es mit Liebe, mach es richtig, mach es schön“ – sein Motto hat Kuhlkamp schon vielen Menschen in seinem Team eingeschärft. Und wer ihn länger kennt, weiß: Der meint den Spruch ernst, auch wenn er in gemütlichem Schwäbisch daherkommt, begleitet von einem freundlichen Augenzwinkern. Das gilt auch für Lieferanten. Nur eine Handvoll treffen die hohen Qualitätsanforderungen. Wer es schafft, der kann auf eine langjährige Partnerschaft vertrauen.

Der nächste Schritt im Arbeitsprozess sorgt dafür, dass die Puzzleteile sich nach der Stanzung exakt aus der Form lösen. Die Ravensburger Puzzle-Expertinnen und -Experten nennen das „Gummieren“: In jedes einzelne Teil auf der Stanzplatte drucken sie händisch das entsprechende Gegenstück aus Gummi. Sie legen das Puzzle also einmal vollständig auf. Kuhlkamp sagt schmunzelnd: „Wir puzzeln in unserer Arbeitszeit.“ Immerhin müssen sie die Teile nicht suchen.

Wenig in dieser Werkstatt ist Standard, vieles dagegen ein gut gehütetes Firmengeheimnis, weiterentwickelt mit jahrzehntelanger Erfahrung und viel Herzblut. Experten wie Kuhlkamp und sein Team, aber auch jeder Puzzle-Fan, kann auf den ersten Blick erkennen, was Ravensburger Puzzles von anderen unterscheidet: Die Grundlinien sehen nicht uniform aus, wie mit dem Lineal gezeichnet. Sie verlaufen wellig, unsymmetrisch. Dies garantiert, dass ein Puzzleteil beim Zusammenlegen nur an eine ganz bestimmte Stelle passt. Das feine Auge des Werkzeugbauers erkennt womöglich die eigene Handschrift der Linien. Denn ganz exakt kann die ursprüngliche Tuschzeichnung nie umgesetzt werden. Jedenfalls bekommt die Schablone am Ende das Kürzel desjenigen, der wochenlang daran gebogen und gefeilt hat.
"Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt."
Friedrich Schiller
Nachschleifen lassen sich die Stanzunikate nicht. Daher muss das Motiv nach einigen Hunderttausend Stanzhüben durch ein neues ersetzt werden. Das ist auch der Grund, warum man als Puzzle-Freund am heimischen Wohnzimmertisch am besten kein Teil verliert. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine zweite Schachtel mit demselben Motiv aus einer anderen Charge und mit einer anderen Form gestanzt wurde, ist hoch. Kein einziges Teil würde in das ältere Puzzle passen. Deswegen spricht Ravensburger von Unikaten.

Umso größeres Glück hatte eine US-Amerikanerin aus Maryland, die das 18.000-Teile-Puzzle „Paradiesischer Sonnenuntergang“ legte und am Ende den allseits heimlich gefürchteten Moment erlebte: Das letzte Teil war weg! Sie postete ein Bild des lückenhaften Legewerks – und ihr Hilferuf wurde erhört. Die Ravensburger Servicestelle schickte ihr das fehlende Teil zu. Denn wie in einer Bibliothek werden Puzzles ab 5000 Teilen archiviert. 40.320 Teile hat das derzeit größte in Serie gefertigte Ravensburger Puzzle. Zusammengepuzzelt misst ein Exemplar fast 14 Quadrat-meter und wiegt rund 20 Kilo. Sich einer solchen Herausforderung zu stellen, ist mehr als bloße Spielerei.

Fotos (d. R. n.): Ravensburger Verlag, Roderick Aichinger (1), Heidi Velten (2), Anja Köhler (3), fpt robotics (4)

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